Das Licht des Gebens

Sunrise in Aswan, Egypt
Creative Commons License photo credit: dorena-wm

Wenn es denn jemanden schlecht geht, dann ist es nur meinem eigenen Egoismus.

Der Punkt im Herzen hat dagegen eine Möglichkeit erhalten, aufzusteigen und an den Schöpfer anzuheften. Nun muss ich mich nur darin verstärken, egal was sich vor meinen Augen öffnet – ich richte mich über der Dunkelheit auf, um das Licht zu erlangen, dessen Wesen das Geben an den Schöpfer sei. Dieses Licht ist nicht für meine Erfüllung gedacht, es erfüllt etwas anderes, bereits in meinem neuen Willen – in meinem neuen Kli. Ich werde dadurch erfüllt, das ich den Schöpfer erfreue.

Wie?

Ich erhebe mich über allem, was in meinen egoistischen Gefässen geschieht.

Rav Laitman, 04.04.2013

Das Licht der Sicherheit

flying people (CC)
Creative Commons License photo credit: marfis75

Immerwährende Sicherheit kann nicht sein. Wenn jemand nach Sicherheit strebt, so ist das nicht gut, da unser Ego sich immer sicher fühlen will, wie ein Kleinkind unter Erwachsenen, das sich ständig am Rock der Mutter festhaltet.Wir benötigen anstelle des Lichts der Sicherheit, welches wir in der Zeit eines Aufstieges empfangen und verspüren, jenes Licht der Sicherheit das wir selbst erworben haben. Unsere eigens erworbenes Licht der Sicherheit.

Jenes Licht welches wir von Oben empfangen nennt sich Or Makif (Umgebendes Licht). Das Licht welches wir selbst erschaffen und erlangen, nennt sich Or Chasadim. Das ist bereits die Stufe Chafez Chesed, losgelöst von jeglichem EGo. Das bedeutet Selbstlosigkeit, ich habe nichts und will nichts. Doch etwas will ich schon. Nur dann etwas zu haben oder zu wollen wenn es für jemanden anderen ist.

Wer bin ich?

where to go?
Creative Commons License photo credit: jonasginter

„Öffnen mir Dein Herz, und ich öffne die Welt für Dich.“
(aus dem Buch „Sohar“)

Wer bin ich? Gibt es einen Menschen auf dieser Welt, der sich nicht wenigstens einmal in seinem Leben diese Frage gestellt hat? Die derzeitigen wissenschaftlichen Theorien behaupten, dass die Welt durch unveränderliche physikalische Gesetze bestimmt wird, auf die wir keinen Einfluss ausüben können. Und wir hätten einzig nur die Möglichkeit diese Gesetzmäßigkeiten klug anzuwenden, um gut 70 bis 120 Jahre zu leben, während denen wir den Boden für künftige Generationen bereiten, in buchstäblichem und im übertragenen Sinne. Aber wozu das alles? Zu welchem Nutzen? „Hat sich die Menschheit durch Evolution langsam aus einfacheren Formen entwickelt?“ oder „Stammt das Leben von anderen Planeten ab?“

Es gibt zwei Fixpunkte – Geburt und Sterben. Und was sich zwischen diesen beiden Daten ereignet ist einzigartig und daher kostbar. – Oder anders gesagt: unter der Annahme, dass nach dem Sterben nur Dunkelheit herrscht, alles zu Ende ist und sich Abgründe auftun – wäre das Leben für nichts und wieder nichts. Wo bliebe denn die weise, allwissende und logisch handelnde Natur, die niemals etwas ohne Nutzen hervorbringt? Oder gibt es etwa noch weitere Gesetze und Zielsetzungen, die noch unentdeckt sind? Unsere Forschungen beschäftigen sich hauptsächlich mit den Reaktionen auf unsere Aktionen, den Rückmeldungen, die wir durch unsere fünf Sinne erhalten: dem Tasten, Riechen, Sehen, Hören und Schmecken, technische Instrumente eingeschlossen, die es uns erlauben, die Wahrnehmung unserer Sinne zu erweitern. Alles, was jenseits dieser Forschungsmöglichkeiten liegt, wird von uns gar nicht wahrgenommen und existiert demnach für uns nicht. Mehr noch – wir sind unfähig zu bemerken, dass uns Sinne fehlen, sowenig wie wir das Fehlen eines sechsten Fingers vermissen, oder wie es unmöglich ist, dem von Geburt an Blinden das Sehen zu erklären. Aus diesem Grund wird der Mensch mit Hilfe der ihm zur Verfügung stehenden Methoden niemals die verborgene Ordnung der Natur enthüllen können.

Entsprechend der Kabbala ist die spirituelle Welt existent, aber sie kann durch unsere Sinnesorgane nicht wahrgenommen werden; unser Universum ist ein sehr kleiner Teil im Zentrum dieser Welt, und unser Planet Erde ist das Innerste davon. Die uns bekannte Welt der Informationen, der Gedanken und Gefühle wirkt durch die physikalischen Naturgesetze der (greifbaren) Natur auf uns ein und durch zufällige Begebenheiten setzt sie uns bestimmten Situationen aus, durch die unser Verhalten bestimmt wird. Wir haben jedoch keinen Einfluss auf Parameter wie Zeit und Ort unserer Geburt, darauf wer wir sein werden, auf welche Menschen wir während unseres Lebens treffen werden, und auch nicht darauf welche Folgen unsere Handlungen haben werden.

Gemäß der Kabbala gibt es vier Wissensgebiete, die der Mensch erfassen soll und kann:

1. Die Schöpfung: Studium der Schöpfung und der Entfaltung der Welten: wie der Schöpfer alles erschaffen hat, wie die spirituellen und materiellen Welten sich gegenseitig beeinflussen, was der Sinn der Erschaffung des Menschen ist.

2. Die Aufgabe: Studium der menschlichen Natur und ihrer Verbindung zur spirituellen Welt; dies entspricht der praktischen Kabbala.

3. Der Zyklus der Seelen: Das Erforschen der Natur der Seele und ihrer Zyklen. Wie der Mensch im Laufe dieses Lebens handelt und im Laufe der nachfolgenden. Was ist das Ziel des Herabsteigens einer Seele in einen Körper, und aus welchen Gründen bekommt gerade dieser Körper diese bestimmte Seele? Die Geschichte der Menschheit als Ergebnis einer bestimmten Ordnung, sowie die Übertragung der Seelen wird ebenso analysiert.

4. Die Gesetzmäßigkeiten: Studium unserer Welt – der unbelebten Objekte, der Pflanzen und Tiere, ihrer Natur und welche Rolle sie spielen und auf welche Weise sie von der spirituellen Welt gelenkt sind; der höchsten Ordnung und unserer Wahrnehmung von Natur, Zeit und Raum; das Erforschen der höchsten Mächte, die die physischen Körper zu einem bestimmten Zielpunkt hinbewegen. Ist es möglich, das größte Geheimnis des Menschendaseins zu erahnen, ohne nach seinen Ursprüngen zu fragen? Jedermann versucht es zu ergründen.

Die Suche nach dem Sinn und Zweck des Lebens eines Individuums, sowie nach dem der Menschheit als Ganzes stellt den Mittelpunkt im spirituellen Leben eines Menschen dar. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts sehen wir ein Wiederaufleben religiöser Bewegungen. Der technologische Fortschritt und politische und soziale Umwälzungen haben zur Entstehung aller möglichen philosophischen Theorien geführt, die dem Menschen jedoch keine Erfüllung im spirituellen Sinn geschenkt haben. Dazu erklärt die Kabbala folgendes: aus all den vorhandenen Freuden hat unsere Welt nur einen winzig kleinen Funken davon erhalten. Die Gegenwart dieses Funkens in der Materie schenkt uns Vergnügen und Freude. In anderen Worten sind alle angenehmen Gefühle, die der Mensch in verschiedenen Situationen erfährt und die durch die unterschiedlichsten Dinge hervorgerufen werden, in der Tat ausschließlich auf die Anwesenheit dieses Funkens zurückzuführen. Des weiteren muss der Mensch, während die Zeit verstreicht, immer neue Objekte suchen, die seinem Vergnügen dienen, in der Hoffnung auf immer größere und größere Vergnügungen, ohne zu merken, dass die Objekte seiner Vergnügung nur äußere Hüllen darstellen, das Wesen des Ner Dakik (winziger Funke) jedoch dasselbe bleibt.

Verhüllung des Lichts

sunbeams
Creative Commons License photo credit: aspheric.lens

Wenn der Schöpfer, welcher für uns die Liebe und das Geben darstellt, uns zur Gleichheit mit Ihm und Seinem Licht anleiten will, wie kann Er aber dann in uns die Empfindung Seiner Herrlichkeit, die Wichtigkeit des Gebens und der Liebe erwecken, damit wir uns verändern wollten? Schließlich lebt der moderne Mensch ohne jegliche Vorstellung davon zu haben, daß er den allen höchsten Genuß nur durch das Geben an seinen Nächsten und durch die Liebe des Schöpfers bekommen kann – dies war der Schöpfungsgedanke des Schöpfers, den Seelen den höchsten Genuß zu bereiten. Doch solange der Mensch diesen Genuß für sich egoistisch empfangen will, ist er vom Schöpfer weit entfernt. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als nur stufenweise durch alle spirituellen Welten hindurch aufzusteigen und uns jedesmal darum zu bemühen, einen höheren Zustand zu bevorzugen, wo wir noch mehr als Gebende und noch mehr als Liebende sein können.

Der Schöpfer kann uns Seine unendliche Liebe und sein unermäßliches Licht des Genußes nicht sofort enthüllen. Denn wenn Seine Liebe ohne Vorbereitung offenbart wäre, dann würde die ganze Treppe,  die uns nach oben führt und der ganze Unterschied zwischen den Treppenstufen sofort vernichtet. Wir würden durch diesen Licht-Genuß egoistisch erkauft und könnten uns nicht mehr entwickeln.

Ähnlich wie ein verwöhntes Kind, das sich zuhause wie der Chef benimmt, wo seine Eltern für es alles machen würden. Nehmen, nehmen, nehmen – alles ist erlaubt un möglich. Es benutzt einfach die Liebe seiner Eltern für sich selbst. Wenn es sich jedoch woanders befindet, dann benimmt es sich auch ganz anders: es wird niemals genauso fordern wie bei sich zu Hause. Es würde sich einfach genieren und sich fürchten. Aber zu Hause gibt es weder Scham, noch Furcht! Würde der Schöpfer uns Seine Liebe sofort an der Stelle offenbaren, so könnten wir, wie unerzogene Kinder, Seine Größe, Seine Herrlichkeit und Seinen Gedanken niemals richtig bewerten.

In der materiellen Welt wirkt in uns ein Naturinstinkt, welcher uns dazu zwingt, erwachsen zu werden und sich natürlicherweise im Egoismus zu entwickeln. Aber in der spirituellen Welt, dort wo die Liebe und das Geben an den Nächsten ein wahres spirituelles Gesetz ist, existiert ein solcher tierischer Instinkt nicht! Wir müssen uns selbständig in Richtung Geben und Liebe entwickeln, um die Gleichheit mit dem Schöpfer freiwillig (!) zu erlangen. Wenn sich der Schöpfer gleich und hier an der Stelle offenbart hätte, dann würden wir Ihn in allem vernachlässigen und solche ewige Werte wie die Liebe und das Geben nie richtig schätzen können. Deshalb hält Er sich vor uns verborgen, um uns eine Entwicklung auf freiwilliger Basis zu ermöglichen, Seine Grösse und die Herrlichkeit des Gebens und der Liebe nur aus der Finsternis heraus zu begreifen. Denn wenn wir uns unvorbereitet im Licht befinden würden, könnten wir es niemals begreifen.

Nur hier und jetzt im materiellen, können wir die Liebe und das Geben an den Nächsten praktisch üben, was ein unschätzbares Sprungbrett für die Zukunft des wahren spirituellen Menschen darstellt, die ihm noch in der höheren Welt bevorsteht.

Werde liebend und gebend wie das Licht selbst

Nature
© photo credit: B@ni

Das, was ich in der Welt um mich herum sehe, oder genauer gesagt fühle, ist nur der Unterschied zwischen mir und dem Schöpfer, der emanierenden Kraft der Liebe und des Gebens. Ich sehe nur einen Schatten meines egoistischen Wünsches in Kontrast zum Höheren Licht des Schöpfers. Ich sehe nur die Eigenschaften, die in meinem egoistischen Wunsch, für sich zu empfangen, enthalten sind. Mit anderen Worten, sind alle, die mich umgeben, Teile meines Egos.

Alle Teile der Natur – die unbelebte Natur, Pflanzen, Tiere, der Mensch – all das sind vier Ebenen meines Verlangens für mich Genuß zu bekommen, die mir in einer solchen Form vor dem Hintergrund des weißen Lichtes dargestellt werden. Denn ich nehme nur mein Verlangen, mich zu erfüllen, wahr!

Die Eigenschaft des Lichts ist nur als Gebend und Liebend wahrnehmbar. Wenn also mein Wunsch genauso wie das Licht wird, wird das Licht nicht mehr vor mir verdeckt, und ich werde den Schöpfer, die gebende und liebende Kraft, offenbaren!

“In der Stunde des Begreifens wird das höhere Licht empfunden, das sich offenbart und auf den Wahrnehmungen und Korrekturen auf dem Weg zurück in die spirituelle Welt basiert. Und es scheint dem Menschen infolge der Vollkommenheit, dass alle seine Leiden einen besondern Wert hatten, weil sie ihm ermöglichten, den Geschmack und die Süße des Lichtes der Einigkeit mit dem Schöpfer zu bewerten.

Folglich werden alle seine Organe und die Sehnen bezeugen, dass jeder in dieser Welt Lebender damit einverstanden wäre, sieben Mal pro Tag sich die Hände und die Beine abzuschneiden, um nur für einen kurzen Augenblick, einmal pro Leben diesen Geschmack der Verschmelzung zu begreifen.” (Rav Yehuda Ashlag,  Brief Nr.8)

Die Bedeutung vom “Licht”

I Heart Flickr Pink Purple Nail Polish in Heart Bottle Creative Commons
Creative Commons License photo credit: Pink Sherbet Photography

Und Gott sprach: „Es werde Licht, und es ward Licht“, „Das Licht am Ende des Tunnels”, “Du bist das Licht meines Lebens”, „Ich hatte eine Erleuchtung“. Das Wort „Licht“ taucht täglich hunderte Male in unserem Wortschatz auf. Sätze wie „bei Licht besehen“, „Licht auf etwas werfen“ , „erleuchtet“ und „Strahlung“ sind Metaphern, die oft unsere Gedanken über Weisheit, Hoffnung und Güte beschreiben. Wir nennen einen weisen Menschen „eine Leuchte“, dem es gelingt, die Welt auf eine rechtschaffene oder göttliche Weise zu sehen.

Das Licht der Sonne erheitert uns und wir planen Sommerferien dort, wo wir uns entspannen und ihre Strahlen geniessen können. Die Wärme vom Kaminfeuer zieht uns an und wir versammeln uns gerne um ein Lagerfeuer. Als menschliche Wesen beziehen wir uns zum Licht auf eine emotionale, fast sinnliche Weise.

Man kann sich kaum vorstellen, dass sich die Wissenschaftler immer noch nicht über die Beschaffenheit des Lichtes sicher sind. Es besteht jedoch keine Frage, dass das Licht lebensnotwendig als Quelle für das Leben auf der Erde dient.

Daher ist es auch kein Zufall, dass der bloße Gedanke an Licht solche tief schürfenden Gefühle hervorruft. Die Weisheit der Kabbala lehrt uns, dass es tatsächlich ein spirituelles Licht gibt, welches uns beeinflusst, auch wenn wir uns seiner nicht bewusst sind. Das Licht ist spirituelle Essenz. Es ist die Eigenschaft des Einen, der uns geschaffen hat – der Schöpfer.

Der große Kabbalist ARI aus dem 16. Jahrhundert schrieb in seinem Buch „Der Baum des Lebens“:

Wisse, dass bevor die Emanationen emanierten und die Schöpfung erschaffen wurde, das Höhere Licht die gesamte Existenz füllte. Und es gab keine Lücke, so wie eine leere Atmosphäre, keinen Hohlraum oder Abgrund, sondern alles war  mit Einfachem, Endlosem Licht erfüllt“.

Was ist die Beschaffenheit des spirituellen Lichtes? So wie das physische Licht uns auf physische Art und Weise füllt, indem es uns wärmt und uns behaglich fühlen lässt, so erfüllt das spirituelle Licht unsere spirituellen Bedürfnisse unserer Seelen. Die Kabbalisten erklären, dass ein Mensch noch während seines Lebens seine Seele mit dem spirituellen Licht füllen kann und dabei unendliche Freude und Erfüllung erlebt.

Wenn unsere Seele mit Licht erfüllt wird, dann spüren wir einen inneren Bereich, genannt „Die Höhere Welt“. Es ist ein Gefühl, welches gänzlich jenseits dem liegt, was wir in unserer Welt erleben. Der Unterschied könnte so beschrieben werden: In dieser Welt entwickeln sich unsere Wahrnehmungen auf natürliche Weise mithilfe unserer fünf Sinne. Wenn Sie sich jedoch aufmerksam überall umschauen, dann wird es offensichtlich, dass wir von vielen Kräften, die uns nicht sichtbar erscheinen, umringt und beeinflusst werden. Sauerstoff z. B., den wir einatmen, ist unsichtbar, doch können wir ohne ihn nicht in der irdischen Welt überleben.

So ist auch die „Höhere Welt“ ein Reich der Wirklichkeit, das unseren fünf Sinnen nicht zugänglich  ist, sondern wir fühlen, dass unsere Seelen mit dem spirituellen Licht erfüllt werden. Jeffrey Satinover, einer der Wissenschafter, der an der Herstellung von dem Film „What the bleep do we know?!“ mitwirkte, erklärt dies aus Sicht der Quantenphysik:

Die Quantentheorie zeigt, dass dort etwas arbeitet, was jenseits reiner Mechanik, außerhalb der irdischen Welt liegt.“

Darum wird die Kabbala „Weisheit des Verborgenen“ genannt – weil sie einen Teil der Wirklichkeit enthüllt, der unseren fünf Sinnen verborgen ist. Es ist eine Methode, mit der es dem Menschen gelingt, seine Seele mit Licht zu füllen und gleichzeitig die Höhere Welt und unsere Welt zu fühlen.

Der große Kabbalist ARI schrieb das Gedicht in seinem Buch „Der Baum des Lebens“ :

Wisse, bevor die Emanationen emanierten
Und Geschöpfe erschaffen wurden,
Gab es nur das einfache höhere Licht,
Welches die ganze Wirklichkeit ausfüllte.

Und es gab keinen leeren Raum
Und keine leere oder unausgefüllte Atmosphäre.
Sondern es war alles voller jenes
Unendlichen einfachen Lichtes.

Und dieses hatte weder Anfang noch Ende,
Sondern es war alles
Einziges einfaches vollkommen gleichmäßiges Licht,
Und dieses hieß: Licht der Unendlichkeit.

Und als in Seinem einfachen Willen der Wunsch wach wurde,
Die Welten zu erschaffen
Und die Emanationen zu emanieren,
Und dabei die Perfektion Seiner Taten,
Seiner Namen, Seiner Bezeichnungen erleuchten zu lassen,
Wurde das zum Grund der Erschaffung der Welten.

Und siehe, sodann schränkte sich
Die Unendlichkeit in ihrem zentralen Punkt ein,
Exakt im Zentrum
Und jenes Licht kontrahierte
Und entfernte sich weit an die Ränder dieses Punktes.

Und sodann blieb leerer Raum, ein Vakuum,
Von diesem mittleren Punkt.
Und siehe, diese Kontraktion war vollkommen gleichmäßig
Um diesen leeren mittleren Punkt herum.
So, dass jener leerer Raum
Von allen Seiten in vollkommener Gleichmäßigkeit
Kreisförmig wurde.

Und siehe, nach der Einschränkung
Nach welcher leerer Raum und Vakuum entstand,
Im exakten Zentrum des unendlichen Lichtes,
War nun Raum da,
In dem Geschöpfe, und Emanationen und Kreaturen
Existieren konnten.

Sodann zog sich aus dem Unendlichen Licht
Ein einziger Lichtstrahl
Und stieg herab ins Innere jenes Raumes
Und entlang dieses Strahls erschuf,
Formte und machte und kreierte Er alle Welten.

Bevor diese Welten ins Leben gerufen wurden,
Gab es nur Unendlichkeit, und ihr Name war Eins,
In einer so herrlichen und verborgenen Einheit,
Dass sogar den Engeln, die Ihm am nächsten standen,
Die Kraft zur Erkenntnis der Unendlichkeit fehlte,
Und es gibt keinen Verstand, der Ihn erfassen könnte,
Denn Er hat keinen Ort, Keine Grenzen, keinen Namen.

Ez Chaim, „Baum des Lebens“, Ari (Rabbi Isaak Luria), 1534-1572

Wofür braucht man die Wissenschaft der Kabbalah?

not quite clear on the concept
© photo credit: woodleywonderworks

Können Sie sich daran erinnern, als sie sich zum ersten Mal gefragt haben: “Wozu lebe ich überhaupt? Wozu bin ich zur Welt gekommen?“ Allem Anschein nach waren sie nicht älter als 6 oder 7 Jahre alt. / Vermutlich waren sie ungefähr 6 oder 7 Jahre alt und es war keine Menschenseele dabei, weil man in der Regel auf solche Gedanken kommt, wenn man allein mit sich selbst oder der Natur ist. Es ist unwahrscheinlich, dass sie eine Antwort auf diese gewichtige Frage gefunden haben. Zwar kamen sie mehrmals auf diese frage zurück, sie ging jedoch im Alltag wieder unter und im Laufe der Zeit strebten Sie nicht mehr nach einer Antwort…

Sie fuhren fort so zu leben, wie die meisten ihrer Bekannten und Freunde, die auf Alltag, Karriere, Ruhm und Reichtum oder auf die Probleme mit ihren Kindern bedacht sind und nur in seltenen Momenten haben sie an die Eintönigkeit und Sinnlosigkeit eines solchen Daseins gedacht. Wäre es doch nicht besser gewesen, schon damals in den Kinderjahren die Frage nach seiner Bestimmung im Gedächtnis zu behalten, diese nicht zu verdrängen und die ihnen zuteil gewordenen Lebensspanne damit auszufüllen, eine richtige Antwort auf diese Frage zu suchen? Es sollte unbedingt einen tieferen Sinn in unserem Erscheinen auf diem Planeten geben, ebenso in dem, was um uns herum passiert. Es ist sicherlich unwahrscheinlich, dass die Natur keinen Grundgedanken gehabt hat, als sie uns schuf. Vielleicht hilft diese uns eine Antwort zu finden?

Die Kindheit vergeht, und mit ihr geraten auch kleine und große Geheimnisse, Rätsel und Märchen in Vergessenheit. Wir bestimmen unseren Lebensweg, indem wir uns manchmal von derselben Frage nach dem Sinn des Lebens leiten lassen. Wir wählen ein bestimmtes Studium und hoffen insgeheim, den tiefen Grundgedanken der Natur dadurch besser verstehen zu können. Manche studieren Physik oder Chemie, die anderen interessieren sich für Biologie. Nach dem abgeschlossenen Studium werden wir uns bestenfalls dessen bewusst, dass wir uns genau so weit entfernt von dem Ziel befinden, wie zu dem Zeitpunkt, wo wir uns die Frage gestellt haben; „Warum lebe ich überhaupt auf diesem Planeten?“ An sich ist diese Suche positiv, sollte jedoch auf jeden Fall vom Erfolg gekrönt sein und uns zum Ziel führen oder zu mindest dabei helfen, dieses aufzuklären, auch wenn es weit entfernt ist….

Wenn jedes einzelne Individuum sein wahres Lebensziel findet, versteht es, dass seine Entwicklung alles andere als chaotisch und zufällig ist, dass sie dagegen einem bestimmten, zielgerichteten Programm der Natur folgt. Auf uns warten Ewigkeit, Unendlichkeit, Vollkommenheit, allumfassendes Wissen und schönste Zustände der Selbsterkenntnis.

Was sollte man tun, um all dies zu erreichen? Der Mensch sollte nur versuchen, seine Augen für diese Fragen zu öffnen. Wenn wir die Welt der Tiere erforschen, sehen wir, dass Vögel, Bienen, Schlangen, Affen und andere Vertreter der Fauna die Welt auf verschiedene Art und Weise wahrnehmen. Ihr Bild der Wahrnehmung besteht aus Farben, aus Klingen oder aus Gerüchen. Der Mensch nimmt seine Welt meistens optisch wahr. Anders gesagt, nimmt jedes Lebewesen diese Welt anders wahr, ganz zu schweigen davon, wie es die eingehenden Informationen empfindet und verarbeitet. Wie ist unsere Welt wirklich? Welche Bilder und Gestalten machen sie aus? Warum nimmt sie ein Wesen anders als das andere wahr? Wenn wir die niedrigeren Formen des Daseins betrachten, wird uns offensichtlich, dass es unmöglich ist, das Leben einer Pflanze und eines Tieres hinsichtlich dessen Qualität, seines Zieles und Sinnes vergleichen. Es ist auch nicht denkbar, solche Parallelen zwischen dem Leben einer Zelle und des ganzen Organismus zu ziehen. Es gibt Tausende von solchen Beispielen; es fällt jedoch schwer, zu begreifen, dass er, der nur eine kleine Zelle darstellt, die ihre kleine Welt wahrnimmt und eine begrenzte Zeit existiert, nicht nur im Stande ist, das Leben des ganzen Organismus zu spüren, sondern ihn auch lenken und steuern kann, da er auf dessen Niveau aufsteigt, der ihm dieses Leben schenkt.

Von den Wissenschaftlern wird längst die Annahme geäußert, dass das Universum einen einheitlichen Gedanken darstellt. Es wird jedoch verschwiegen, dass wir diesen erst dann wahrnehmen können, wenn wir ein zusätzliches, sechstes Wahrnehmungsorgan entwickeln. Die Kabbalah stellt somit die Methode der Entwicklung eines solchen Sensors dar, der uns dazu verhilft, die Weltschöpfung wahrzunehmen und diese zu steuern. Dadurch verschafft sich der Mensch einen Zugang in ein Gebiet, in dem er sich selbst als ewig und unendlich empfindet, er sprängt somit den Rahmen von Raum und Zeit.

Manchmal empfinden wir, dass uns etwas Ewiges zu eigen ist… Es ist sehr wichtig, dieses Gefühl über längere Zeit zu bewahren, und es während des Lebens in dieser Welt dermaßen zu entwickeln, dass die Enge der angeborenen Realitätswahrnehmung mithilfe von Sehen, Hören und anderen natürlichen Sensoren uns nicht daran  hindert, in der unendlichen Realität zu existieren, die wir einheitlich empfinden. Mit Hilfe des sechsten Sinnes beginnt der Mensch die Gründe und die Kräfte zu verstehen, die hinter den Objekten dieser Welt verborgen sind; er erkennt, wie diese gesteuert werden. Wenn man auf das Niveau des Zusammenwirkens mit den Kräften, die alles bestimmen, aufsteigt, ergibt es keinen Sinn mehr, Objekte als solche in Betracht zu ziehen. Eine solche Erkenntnis verleiht uns das Gefühl der Sicherheit und Gerborgenheit.

Ein Kabbalist hat im Vergleich mit anderen Menschen keine besonderen Talente, die ihn dazu befähigen, durch Wände zu sehen oder fern zu heilen. Der Kabbalist ist ein Mensch, der die Welt aus einer anderen Schicht wahrnehmen kann. Die Kabbalisten sind der Meinung, dass jeder Mensch auf der Erde diese Weltwahrnehmung sich aneignen muss und dies auch tun wird. Es ist nicht von Bedeutung, in welcher Inkarnation dies passieren wird, in dieser oder in der darauf folgender; der Mensch wird unausweichlich das Ziel, d.h.  den höheren Punkt der Existenz, erreichen. Um diesen Weg schneller und einfacher zu meistern, entfalten die Kabbalisten der Welt die Kabbalah, da sie sich dessen bewusst sind, dass in unserer Zeit nur die Beherrschung dieser Wissenschaft die Rettung vor Vergänglichkeit, Nichtigkeit und Unausweichlichkeit des Alltages darstellt.