Die Kabbalisten lehren uns, dass sich alle Menschen, unabhängig davon ob sie sich mit der Weisheit der Kabbala beschäftigen und dadurch ihre spirituelle Entwicklung beschleunigen und ihre Bestimmung realisieren, unbewusst und ohne ihr aktives Zutun auf dem Wege zu der Vollkommenheit befinden. Das bedeutet, dass wir alle an dem Schöpfungsziel ankommen werden, nur der Weg ist halt anders und heisst auf hebräisch „beito“ (übersetzt „in der Zeit“). Um welchen Weg handelt es sich denn genau und was stellt man sich darunter vor?
Dieser Weg ist äusserst schmerzhaft und ist voll von Leiden für den Menschen. Es ist ein Weg in der Dunkelheit, in der Stickigkeit und unter einem unangenehmen Druck unserer materiellen Welt, bestritten mit einem kaum wahrgenommenen göttlichen Lichtfunken zur Erleuchtung des Weges des Menschen. Es ist der Weg, den der ewige, spirituelle Teil von uns nach dem Willen der Höheren Kraft durchmachen muss, um seinem Bewusstsein die Eigenschaften der Liebe, der Barmherzigkeit, der Dankbarkeit, der Freude und der Herzlichkeit anzueignen. Wir sind hier durch die viele Welten herabgestiegen, um in der Materie zu lernen, wie man seinen Wünschen und den Leidenschaften der Herr wird und wie man sich von den egoistischen Verlangen, die auf Kosten unserer Nächsten ausgelebt werden, frei macht und eine neue unglaubliche Dimension der Höheren Welten in sich entdeckt. Wir sind hier, um unseren Geist von den Schmutzschalen des Egoismus zu befreien und die Liebe zum Nächsten und zum Nächsten des Nächsten zu lernen. Und bis dies endlich erreicht ist, wird das höhere Teil (hebr. Galgalta Enaim) in uns wirklich leiden und den Schmerz spüren. Sehr oft nicht wissend, dass hinter den Leiden eine Absicht steckt, um uns zu einem unglaublichen Ziel führen soll. Wie könnte dieser Mechanismus denn funktionieren?
Die Kabbalisten lehren uns, dass es kein egoistisches Verlangen geben kann, was gestillt werden kann. Auch wenn wir kurzfristig ein befriedigendes Gefühl bekommen, dass so ein Verlangen gestillt ist, täuscht es uns. Danach wollen wir immer mehr davon bekommen, und man kann nicht wirklich auf dem Erreichten stehen bleiben. So wird aus dem Tellerwäscher ein Millionär oder aus einem Millionär ein Milliardär. Aber unterwegs zur Befriedigung dieser ego-getriebenen Verlangen spürt man die Schmerzen des Haßes, der Eifersucht, des Neids zu allen: den Wettbewerbern, den Nachbarn, der Gesellschaft, der Regierung und allen, die scheinbar einem auf dem Weg stehen. In jedem Leiden steckt ein nicht erfülltes egoistisches Verlangen!
Diese leidensvolle Erfahrung geht nicht verloren und dient dem Menschen später in seiner spirituellen Entwicklung. Der Mensch entdeckt, dass es einen Zusammenhang zwischen seinen egoistischen Verlangen gibt und dem, dass er sie nie erfüllen kann. Der Mensch lernt, dass es nichts in der scheinbar äusseren Welt gibt, was ihn in der Art befriedigen kann, sucht was vollkommen Anderes, was Grösseres, sucht das, wo er das Ewige und das Beständige finden kann. Mit dieser Methode, d.h. durch die Leiden, Krankheiten, Kriege und Schicksalschläge findet er heraus, dass es „da draussen“ nur das Wechselbare oder das Unerfüllbare gibt, und nur in seinem Inneren das „Ich“ existiert, was unsterblich und ewig ist. Dieses „Ich “ kann sich nicht ändern, nicht sterben und wird mit jeder Erfahrung reicher und weiser. Aber diese Erfahrung muss dieses „Ich“ leider qualvoll in der Materie verdienen und nur in dieser Erkenntniss besteht bei Be-i-to die Möglichkeit der Befreiung und dem Erreichen der Perfektion und der Vollkommenheit. Der Mensch wird endlich erwachsen.