21. Und du sollst der Meinung der Philosophen nicht glauben, die behaupten, dass das Wesen der Seele das Material des Verstandes sei, und ihre Lebenskraft resultiere nur aus Erkenntnissen; dass sie dadurch wachsen und dadurch belebt werden würde, und ihre Unsterblichkeit nach dem Tod des Körpers gänzlich vom Maß erlangter Kenntnisse abhängen würde, soweit, dass sie ohne diese keine Basis besitzen würde, auf welcher die Unsterblichkeit der Seele ruhe – all das ist bei Weitem nicht die Meinung der Tora.
Und auch das Herz ist damit nicht einverstanden, und jeder, der wenigstens einmal versucht hat, irgendeine Kenntnis zu erlangen, weiß und fühlt, dass der Verstand ein Erwerb, und nicht das Wesen des Erwerbenden ist.
Sondern, wie es heißt: Das ganze Material des neuen Geschöpfes – sowohl bei spirituellen als auch bei materiellen Objekten – stellt nicht mehr und nicht weniger als den Willen zu empfangen dar. Und obwohl, wie wir sagten, die Seele den Willen zu geben darstellt, ist es lediglich eine Folge von deren Korrektur durch die Einkleidung in reflektiertes Licht, welches sie von den Höheren Welten empfängt, aus welchen sie zu uns hinabsteigt; doch das Wesen der Seele ist nur der Wille zu empfangen.
Und die ganze Unterscheidung eines Wesens vom anderen, die wir entdecken können, ist nichts anderes als eine Unterscheidung in ihrem Willen zu empfangen. Sie bringt in jedem Wesen dessen Bedürfnisse hervor, die ihrerseits Gedanken und Kenntnisse erzeugen – in einem Maß, welches zur Befriedigung der Bedürfnisse notwendig ist, die ihre Entstehung dem Willen zu empfangen verdanken.
Und wie sehr sich bei Menschen die Willen zu empfangen unterscheiden, so sehr unterscheiden sich auch ihre Gedanken und Kenntnisse. Bei denjenigen zum Beispiel, deren Wille zu empfangen nur durch tierische Genüsse beschränkt ist, sind ihre Bedürfnisse, Gedanken und der Verstand nur auf die völlige Erfüllung dieses tierischen Wunsches ausgerichtet. Und obwohl dazu der Verstand und die Kenntnisse eines Menschen genutzt werden, ist dieser Verstand wie der Verstand eines Tieres, weil er sich in der Sklaverei des tierischen Willens befindet und nur ihm dient.
Und was diejenigen angeht, deren Wille zu empfangen hauptsächlich nach menschlichen Genüssen drängt – solchen wie Ehre und Macht über andere, die der tierische Typ nicht hat – so sind ihre hauptsächlichen Bedürfnisse, Gedanken und Kenntnisse nur darauf ausgerichtet, diesen ihren Wunsch möglichst zu erfüllen. Und bei denjenigen, deren Wille zu empfangen hauptsächlich Wissen fordert, dienen ihre hauptsächlichen Bedürfnisse, Gedanken und Kenntnisse nur dazu, diesen Willen gänzlich zu füllen.
22. Und diese drei Arten von Wünschen dominieren in jedem Menschen, nur sind sie in unterschiedlichen Proportionen kombiniert. Daraus resultieren auch alle Unterschiede der Menschen untereinander. Und zu materiellen Eigenschaften kann man eine Parallele zu spirituellen Eigenschaften ziehen, gemäß ihrer spirituellen Größe.
23. Somit erlangen die spirituellen Seelen der Menschen durch ihre Einkleidung in reflektiertes Licht, welches aus den Höheren Welten empfangen wird, aus denen sie hinabsteigen, lediglich das Verlangen, um dem Schöpfer zu geben – in der Absicht, Ihm Freude zu bereiten. Dieses Verlangen ist das Wesen der Seele. Und nach ihrer Einkleidung [der Seele] in den Körper des Menschen erzeugt sie in ihm Bedürfnisse, Gedanken und Kenntnisse, die auf das Geben ausgerichtet sind, darauf, dem Schöpfer Genuss zu bereiten, gemäß der Größe des Willens der Seele.
24. Das Wesen des Körpers ist nur der Wille, für sich selbst zu empfangen. All seine Erscheinungen, sowie alles, was er erwirbt, und alles, was er bekommt, ist lediglich die Erfüllung dieses verdorbenen Willens zu empfangen, welcher ursprünglich nur dazu erschaffen wurde, um vollkommen aufgelöst zu werden, um zum vollkommenen Zustand drei am Ende der Korrektur zu gelangen. Daher ist er [der Wille für sich selbst zu empfangen] sterblich, vergänglich und unvollkommen, wie auch alle seine Anschaffungen, die wie Schatten vergehen, ohne etwas zurückzulassen.
Im Gegenteil dazu ist das Wesen der Seele lediglich der Wille zu geben, und alle ihre Erscheinungen und Anschaffungen sind von diesem Wunsch erfüllt, der bereits sowohl im ewigen Zustand eins, als auch im zukünftigen Zustand drei existiert. Und somit ist sie und mit ihr alle ihre Erscheinungen unsterblich und unvergänglich, und nichts davon verschwindet, sobald der Körper stirbt. Im Gegenteil – die Abwesenheit des verdorbenen Körpers verstärkt sie noch mehr, sodass sie sich ins Paradies (Garten Eden) erheben kann.
Auf diese Weise klärten wir, dass der Verbleib der Seele absolut nicht von erworbenen Kenntnissen abhängt, wie die oben genannten Philosophen glauben, sondern ihre Ewigkeit ist in ihrem Wesen veranlagt, das heißt, im Willen zu geben, welcher ihr Wesen ist. Und die Kenntnisse, welche sie erlangt, sind ihre Belohnung und nicht sie selbst.
25. Daraus werden wir eine vollständige Lösung der fünften Untersuchung finden, in welcher wir nachfragten: Wenn der Körper so verdorben ist, dass die Seele in ihrer Reinheit nicht in ihn eintreten kann, bevor er nicht vollständig verwest ist, wozu kehrt er dann zurück und wird durch die Wiederbelebung der Toten wieder lebendig? Darüber sagten die Weisen: „In der Zukunft werden die Toten in ihren Mängeln wiederbelebt, damit man nicht sagen würde: „Das ist ein anderer Körper.“ [1]
Und man muss das, ausgehend von der Schöpfungsabsicht, selbst nachvollziehen, das heißt, aus dem Zustand eins. Wir sagten, dass, da die Absicht darin bestand, den Geschöpfen Genuss zu bereiten, dies unumgänglich in den Seelen einen riesigen Willen erschuf, diesen Genuss zu empfangen, den es in der Schöpfungsabsicht gibt, da „ein riesiger Genuss einen riesigen Willen erfordert“ (siehe Punkt 6 und 7). Wir sagten dort, dass dieser riesige Wille zu empfangen das einzige neue Geschöpf ist, welches erschaffen wurde, da absolut keine Notwenigkeit an mehr bestand, um die Schöpfungsabsicht zu erfüllen. Und es liegt in der Natur des vollkommenen Schöpfers, nichts Überflüssiges zu tun, wie es im „Lied der Vereinigung“ heißt: „In Deiner ganzen Arbeit hast Du nichts vergessen, nichts ausgelassen und nichts bevorzugt.“
Auch sagten wir dort, dass dieser riesige Wille zu empfangen vollkommen aus dem System reiner Welten (Kedusha) ausgestoßen wurde und dem System unreiner Welten (Tuma) beigegeben wurde, welche die Quelle der Entstehung und der Existenz der Körper und aller ihrer Anschaffungen in dieser Welt sind, bevor der Mensch nicht die dreizehn Jahre erreicht und nicht mithilfe der Tora beginnt, seine heilige Seele zu erfassen. Dann ernährt er sich durch das System reiner Welten, gemäß der Größe der heiligen Seele, welche er erfasste.
Oben wurde ebenfalls gesagt, dass während der 6.000 Jahre, welche uns zur Arbeit in der Tora und den Geboten gegeben wurde, keine Korrekturen des Körpers stattfinden, des riesigen Willens zu empfangen, der in ihm eingeschlossen ist. Und alle Korrekturen, die Folge unserer Arbeit sind, finden nur mit der Seele statt, welche dadurch die höheren Stufen in Reinheit und Heiligkeit erklimmt, das heißt, zur Vergrößerung des Willens zu geben, welcher sich mit der Seele vergrößert.
Und daher ist es die Bestimmung des Körpers, am Ende zu sterben, begraben zu werden und zu verwesen, da er keine Korrektur erhalten hat. Aber dies kann nicht so bleiben, denn wenn letztendlich dieser riesige Wille zu empfangen aus der Welt verschwinden wird, wird sich die Schöpfungsabsicht nicht erfüllen können. Das heißt, all jene riesigen Genüsse, mit welchen Er seine Geschöpfe beglücken wollte, werden nicht empfangen werden, da „ein riesiger Genuss einen riesigen Willen erfordert.“ Und in dem Maße, wie sich der Wille zu empfangen verkleinern wird, wird sich auch der Genuss am Empfangen verkleinern.
26. Wie bereits gesagt wurde, setzt der Zustand eins die Existenz des Zustandes drei zwingend voraus, der in seiner ganzen Fülle austrat, genauso wie der Zustand eins, gemäß der Schöpfungsabsicht. Es fehlt in ihm nichts (siehe Punkt 15).
Daher erzwingt der Zustand eins die Wiederbelebung der toten Körper. Das heißt, ihr riesiger Wille zu empfangen, der bereits unbrauchbar wurde und sein Ende fand, und im Zustand zwei verweste, ist gezwungen, in seinem ganzen riesigen Umfang wiederbelebt zu werden, in seiner ganzen riesigen Größe, ohne jegliche Beschränkungen, das heißt mit all seinen Mängeln, die es in ihm gab.
Und dann beginnt die Arbeit von neuem, um diesen riesigen Willen zu empfangen in den Willen zu geben um des Schöpfers willen zu verwandeln. Und dann gewinnen wir doppelt so viel.
Erstens haben wir dann Raum, um all jenes Wohl, den Genuss und die Zärtlichkeit zu empfangen, die in der Schöpfungsabsicht eingeschlossen sind, da wir einen riesigen Körper mit einem riesigen Willen zu empfangen haben, der gemeinsam mit diesen Genüssen „einen einzigen Halm“ erklimmt.
Zweitens: Da unser Empfangen auf diese Weise nur in dem Maße stattfinden wird, wie wir dem Schöpfer Vergnügen bereiten, wird unser Empfangen als „vollkommenes Geben“ angesehen (siehe Punkt 11). Und außerdem erreichen wir die Gleichheit der Eigenschaften mit dem Schöpfer – die Verschmelzung – das heißt, unsere Form im Zustand drei, denn der Zustand eins erzwingt unbedingt die Wiederbelebung der Toten.
27. Tatsächlich kann es nicht sein, dass die Wiederbelebung der Toten anders stattfände als vor der Endkorrektur, das heißt, am Ende des Zustandes zwei. Denn nachdem wir dessen würdig werden, unseren riesigen Willen zu genießen zunichte zu machen, und einen Willen zu geben erlangen – nachdem wir durch unsere Arbeit in der Ausmerzung dieses Willens zu empfangen all jener herrlichen Stufen der Seele würdig werden, die als Nefesh, Ruach, Neshama, Chaja, Yechida bezeichnet werden, – erreichten wir die größte Vollkommenheit, sodass man diesen Körper nun in der ganzen riesigen Größe seines Willens zu empfangen wiederbeleben kann. Und nun droht er uns nicht mehr in unserer Verschmelzung zu trennen.
Im Gegenteil überwinden wir ihn und geben ihm die Form des Gebens, wie oben beschrieben. Und das trifft bezüglich einer jeden schlechten Eigenschaft zu, die wir loswerden wollen. Zunächst müssen wir uns davon vollkommen lossagen – so, dass nichts von ihr übrig bleibt, und dann kann man zurückkehren und sie wieder erhalten und in die Mittlere Linie einführen. Doch solange man sich nicht vollkommen von ihr losgesagt hat, kann man sie unmöglich in der erwünschten mittleren Linie nutzen.
28. Die Weisen sagten: „In der Zukunft werden die Toten mit ihren Mängeln wiederbelebt, und werden sodann geheilt.“ Das heißt: Anfangs wird der gleiche Körper zum Leben erweckt – der riesige, durch nichts beschränkte Wille zu empfangen, so, wie er durch das System unreiner Welten (Tuma) aufgezogen wurde, bevor man würdig wurde, ihn in allen seinen Mängeln durch die Tora und die Gebote zu reinigen. Und dann beginnen wir neu daran zu arbeiten, diesem riesigen Willen zu empfangen Formen des Gebens zu verleihen. Und dann gesundet er, da er nun die Gleichheit der Eigenschaften erreicht.
Und der Ausdruck: „Dass man nicht sagen würde: das ist ein anderer Körper“ bedeutet: Dass man nicht über ihn sagen würde, dass seine Form anders ist als in der Schöpfungsabsicht. Denn dort befindet sich dieser riesige Wille zu empfangen mit der Absicht, das ganze Heil der Schöpfungsabsicht zu empfangen. Sondern nur für eine gewisse Zeit wurde er entweder in die Macht der Klipot oder in die Macht der Reinheit gegeben. Doch letzten Endes darf es nicht sein, dass es ein anderer Körper wäre, denn sogar wenn er auf irgendeine Art kleiner wäre, würde er vollkommen anders werden und sich nicht mehr zum Empfang des ganzen Heils der Schöpfungsabsicht eignen, welches er bereits dort empfängt, ausgehend vom Zustand eins.
29. Und aus allem Geklärten heraus bekamen wir nun die Möglichkeit, die zweite Frage zu beantworten: Was ist unsere Rolle in der langen Kette der Wirklichkeit, deren kleine Kettenglieder wir im Verlauf unseres kurzen Lebens sind?
Und wisse, dass sich unsere Arbeit im Verlauf der 70 Jahre unseres Lebens in vier Perioden aufteilt:
In der ersten Periode erlangt der Mensch einen riesigen, uneingeschränkten Willen zu empfangen in seiner ganzen unkorrigierten Größe, während er in der Macht des Systems der vier unreinen Welten ABYA de Tuma steht. Denn wenn es in uns diesen unkorrigierten Willen zu empfangen nicht gäbe, könnten wir ihn nicht korrigieren, da man nur etwas korrigieren kann, was man hat.
Daher reicht jener Wille zu empfangen, der im Körper von der Quelle seiner Geburt in der Welt vorhanden ist, nicht aus – sondern es muss nicht weniger als bis zum Alter von 13 Jahren das System unreiner Kräfte (Klipot) wirken. Das bedeutet, dass diese Klipot (unreine Kräfte) den Menschen beherrschen und ihm von ihrem Licht geben müssen, unter dessen Einfluss sein Wille zu empfangen wachsen würde, denn die Genüsse, mit welchen die unreinen Kräfte den Willen zu empfangen versorgen, erweitern und vergrößern seine Forderungen.
So besteht, zum Beispiel, bei der Geburt der Wille und die Lust nur eine Portion von 100 zu erhalten und nicht mehr. Doch sobald die Böse Seite (Sitra Achra) den Willen mit dieser Portion erfüllt, verdoppelt sich der Wille zu empfangen augenblicklich und er will 200. Und nachdem die Böse Seite (Sitra Achra) die Füllung für die erwünschten 200 gibt, erweitert sich der Wille sofort und will 400. Und wenn der Mensch nicht mithilfe der Tora und der Gebote den Willen zu genießen überwindet und ihn reinigt, indem er ihn in Geben verwandelt, wächst sein Wille zu empfangen das ganze Leben lang, bis er schließlich stirbt, ohne die Hälfte seiner Leidenschaft befriedigt zu haben.
Somit untersteht der Mensch der Macht der Klipot und der Bösen Seite (Sitra Achra), deren Aufgabe darin besteht, seinen Willen zu empfangen zu erweitern und zu vergrößern und ihn dadurch unbeschränkt zu machen, um dem Menschen das ganze Material zu zeigen, welches sich in ihm befindet, mit welchem er arbeiten muss, und welches er korrigieren muss.
30. Zweite Periode – von 13 Jahren an, wenn dem Punkt, welcher sich im Herzen des Menschen befindet, Kraft verliehen wird. Dieser Punkt ist die Umkehrseite der reinen Seele, welche in seinen Willen zu empfangen von dem Moment seiner Geburt an eingehüllt ist. Und die Erweckung tritt nicht eher als nach 13 Jahren ein. Dann beginnt der Mensch, in die Macht des Systems reiner Welten (Olamot haKedusha) überzugehen, in dem Maße, wie er sich mit der Tora und den Geboten beschäftigt.
Die hauptsächliche Rolle dieses Zeitraums ist es, einen spirituellen Willen zu erreichen und ihn zu vergrößern. Denn von Geburt an wohnt dem Menschen kein anderes Streben inne als das nach dem Materiellen, und daher ist sein Wachstum noch nicht abgeschlossen, obwohl er im Laufe von 13 Jahren einen riesigen Willen zu empfangen erreicht hat, denn der Abschluss des Wachstums des Willens zu empfangen ist nur das Streben nach dem Spirituellen. Denn wenn zum Beispiel sein Wille zu empfangen vor dem Alter von 13 Jahren nach dem Empfang des ganzen Reichtums und der ganzen Ehre dieser materiellen Welt strebte, so ist doch allen klar, dass diese Welt nicht ewig ist, und sich jeder in ihr lediglich als unbeständiger Schatten befindet – er blinkt auf, und dann gibt es ihn nicht mehr. Wenn er dagegen einen riesigen Willen nach dem Spirituellen erlangt, will er das ganze Heil und den ganzen Reichtum der zukünftigen ewigen Welt zu seinem Genuss. Also ist das Wesen eines riesigen Willens zu genießen der Wille, das Spirituelle zu erlangen.